Lebendige Erde 2/2002:

Portrait

Hand in Hand
Milch und Käse auf dem Bauckhof

Karin Heinze

Keine zwanzig Meter von der Haustür entfernt ist der Arbeitsplatz von Michaela und Ralf Weber. Die Molkereifachfrau geht geradeaus: vier Räume beherbergen die Milchverarbeitung des Bauckhofes in Amelinghausen. Der Landwirt nimmt die Tür rechts: dahinter stehen vierzig Milchkühe, rund zwanzig Rinder - die eigene Nachzucht - und der Bulle. So groß wie die räumliche Nähe der beiden Arbeitbereiche, ist auch die enge Zusammenarbeit der Bereiche

elegante Auslese für Ökohöfe: die Schwarzbunten werden nach der Methode Bakels gezüchtet
Erzeugung und Verarbeitung. Die Qualität der Endprodukte aus der kleinen Rohmilchkäserei ist unmittelbar abhängig von der Güte des "Ausgangsstoffes" Milch. In die Milchgüte wiederum fließen verschiedenste Kriterien ein. Futter und Haltung sowie das Verhältnis Mensch - Tier spielen eine große Rolle, aber auch Züchtung und die allgemeine Atmosphäre auf dem Hof. Das ganze Bündel zusammengenommen, ergibt hochwertige Erzeugnisse, die den Demeter-Anspruch erfüllen: "Unser Maßstab ist es, Lebensmittel zu erzeugen, die den Menschen gesund erhalten und ihn in seiner Entwicklung weiterbringen", definiert Joachim Bauck, der Senior des Hofes, das Ziel.

Sensible Käserei: Milch ist nicht gleich Milch
"Stück für Stück habe ich mich bei der Milchverarbeitung hier auf dem Hof vorgetastet", blickt Michaela Weber (34) auf die Anfangszeit ihrer Tätigkeit als Käserin auf dem Bauckhof zurück. "Jede Rasse, jede Herde liefert einen etwas anderen Rohstoff und das muss man bei den Rezepturen in der Käseherstellung beachten, wenn ein gutes Ergebnis erreicht werden soll." Den ganzen Fach-"Ballast" der Ausbildung, mit genauen Labormessungen und -analysen ließ die Molkereifachfrau hinter sich und versuchte, sich durch Beobachtung und Probieren die Eigenheiten der Hofmilch zueigen zu machen, um spezifisch und persönlich mit der Milch umzugehen. Von ihrer Ausbildung her war sie perfekt-professionelle Arbeitsplätze gewohnt.

"Der umgebaute Kälberstall hier ist mir allerdings lieber; Perfektion lässt meist eine gewisse "Seele" vermissen", sagt sie. Käsekessel und Gerät sind Spezialanfertigungen, die auf die Bedürfnisse und das beschränkte Platzangebot zugeschnitten sind. Der Käse wird beispielsweise in quaderförmige Behälter ausgeschöpft, nicht in runde. "Das ist platzsparend bei der Lagerung und kundenfreundlich im Verkauf - jeder bekommt gleich viel Rinde", erklärt die Käserin. Übrigens kann die Rinde mit gegessen werden, die Laibe werden dreimal wöchentlich geschmiert und bilden eine natürliche Schale. Einschweißen in Folie oder eine Ummantelung mit Wachs kamen nicht in Frage. Die übersichtliche Käserei erlaubt kurze Wege vom Käsekessel zur Abtropfwanne, aber auch kurze Rohrleitungen,- direkt nebenan befindet sich die Milchküche. Zweckmäßigkeit und Einfachheit kennzeichnen die Möblierung. Das Rührwerk hat Michaela Weber abgeschafft: "den Bruch eine halbe Stunde bis eine Stunde zu rühren, tut dem Käse gut und auch dem, der es macht", erklärt sie. "Hier lernt man beobachten." Die Beschaffenheit der Milch zu den verschiedenen Jahreszeiten erfordert einen besonderen Umgang mit der weißen Flüssigkeit. Die Umstellungszeiten in der Fütterung von Winter auf Sommer und umgekehrt seien jedes Mal spannend: "wir sind dann nervös, weil das Gleichgewicht in der Rohmilchkäserei viel sensibler ist, als bei industrieller Verarbeitung." "Obwohl man die Feinheiten mit der Zeit in die Fingerspitzen bekommt", so die Fachfrau, sei es hilfreich auf genaue Aufzeichnungen zurückzugreifen und vor allem den engen Kontakt mit den Verantwortlichen für den Kuhstall zu pflegen.


Qualität im Visier: Ralf Weber, Chef im Stall auf dem Bauckhof in Amelinghausen


Die Milch muss stimmen: Käserin am Käsekessel

Der heiße Draht zum Kuhstall
Der gute Austausch bleibt praktischerweise auf dem Bauckhof in der Familie. "Der Käser ist dem Bauern ausgeliefert", kommentiert Ralf Weber die Situation lachend. Ein wichtiger Vorteil von Hofkäsereien sei die Möglichkeit, alle Unregelmäßigkeiten unmittelbar wahrnehmen und darauf reagieren zu können. Das Futter für die Bauckhofkühe ist so, wie es sich Ministerin Renate Künast vorstellt. Außer Gras - in frischer und getrockneter Form, ein bisschen Getreideschrot und Wasser kommt nichts in die Kuh hinein. "So wie die Heuzeit abläuft, können wir uns auf den Winter freuen - oder nicht", erklärt Ralf Weber. Das Heu von den 40 Hektar Dauergrünland zum richtigen Zeitpunkt zu erwischen und bei guter Witterung einzubringen, ist eine Kunst. Der ganze Hof ist, soweit möglich, an der Heuernte beteiligt, weil jeder weiß, wie viel vom guten Futter abhängt. Eine Heutrocknung mit Kaltluftgebläse, die Material von etwa 25 Hektar fasst, wurde sofort gebaut, als klar war, dass die Milch selbst verarbeitet werden soll. "In heuarmen Jahren haben wir viel Lehrgeld bezahlt", schildert der

biologisch-dynamische Käsevielfalt mit eigenen Kräutern verfeinert
 
Landwirt das Fiasko bei der Käseproduktion, als wegen der schlechten Witterung während der Heubergung, vermehrt Silage gefüttert werden musste. Dem Käsegeschmack zuliebe schaffte Ralf Weber auch die früher traditionelle Fütterung mit Steckrüben ab. Das Kohlartige schmeckte zu stark durch. Hingegen verfeinern heute frische und getrocknete Kräuter aus dem eigenen Kräutergarten, Bärlauch, Bockshornsaat, grüner Pfeffer und Möhrensaft die acht Varianten des Bauckhofkäse.

Wichtig: auf Feinheiten achten
Ein paar kleine Geheimnisse gibt es natürlich doch im Kuhstall, was die Fütterung betrifft und die Herde. Dr. Ulrike Remer betreut seit vielen Jahren die Tiere ärztlich. "Das wichtigste für Kühe ist die Harmonie in der Verdauung", erläutert sie. Die tägliche Beigabe von Bentonit, einem feinstvermahlenen Tonmineral, zum Futter, habe durch das hohe Quell- und Absorptionsvermögen einen ausgleichenden Effekt auf die Verdauung der Tiere und die Mistqualität. Zur Versorgung mit Mineralstoffen tragen die naturbelassenen Salzsteine aus Bad Reichenhall bei. Außerdem werden den Tieren während des Winterhalbjahres zwei auf dem Hof hergestellte Spezialfutter angeboten: Brühfutter und Laubheu. Die Produktion von Brühfutter wurde von Dr. Nikolaus Remer wiederbelebt. Gehäckseltes Haferstroh, Dinkelspelzen, Weizenkleie, Laubheu und eine Mischung verschiedener Kräuter werden in einer fahrbaren Holzkiste (1/4 m3) mit Wasser überbrüht, festgetrampelt, mit einem Deckel versehen und den Tag über gären lassen. "Das Brühfutter wirkt sich stabilisierend auf das Pansenklima aus", ist die Erfahrung des Bauern. Die Veränderungen seien am Wohlbefinden der Kühe unmittelbar zu spüren und am Mist sichtbar. Das Laubheu wird von den artenreichen Hecken des Bauckhofes (über 11 km lang gewonnen und enthält Gerb- und Mineralstoffe, die der Tiergesundheit wie der Milchqualität zuträglich sind. Der Gesundheit der Kühe, der Stallhygiene und der Mistgüte gleichermaßen, dient außerdem das von Dr. Nikolaus Remer entwickelte Sammelpräparat. Das Pulver wird täglich auf den Mist gestreut und in aufgelöster Form auf den Laufflächen verspritzt. "Das Sammelpräparat wirkt wie ein Kompoststarter, beeinflusst die Mikroflora im Stall positiv und vernichtet Krankheitskeime," erklärt Ulrike Remer.
   

...eine ruhige Herde
Auffallend ist die Ruhe, die die Wiederkäuer ausstrahlen. Der Boxenlaufstall ist bereits 25 Jahre alt und der Vorgänger von Ralf Weber, Jürgen Bauck hat beim Aufbau der Herde viel Wert darauf gelegt, dass die ruhige Gelassenheit der Behornten erhalten bleibt. Berührung und enger Kontakt zum Menschen hatten immer einen wichtigen Stellenwert. Schon allein wegen der Tatsache, dass der Bauckhof sehr belebt ist: Schulklassen im Landbaupraktikum, Praktikanten und Lehrlinge tummeln sich im Stall, Treffen der norddeutschen freien Ausbildung finden auf dem Hof statt, Pensionsgäste und Hofladenkunden schauen gerne bei den Schwarzbunten vorbei. "Das Wissen um das Bedürfnis der Milchkuh nach Ruhe und die Wichtigkeit sozialen Lebens auf dem Hof, ist das Spannungsfeld, in dem ich mich bewege", beschreibt Ralf Weber die Konstellation. Stichwort Bakelszucht: die nach dem Weihenstephaner Professor Bakels benannte, Zuchtmethode wird in Amelinghausen seit rund 20 Jahren angewendet. Die Zucht ist auf Lebensleistung ausgerichtet, die Tiere sind spätreifer, robuster und langlebiger. Im vergangenen Jahr wurde die dienstälteste Kuh mit 18 Jahren auf dem Bauckhof geschlachtet. Das Ziel, gesunde, langlebige, genügsame Tiere, die das angebotene Futter gut verwerten und einen tadellosen Charakter haben, möchte Ralf Weber weiterverfolgen, das "Bakelsblut" in Zukunft eher noch konzentrieren. Die durchschnittliche Jahresleistung von 5000 Liter pro Kuh könnte noch verbessert werden, wünscht sich der Landwirt. Denn, trotz des keineswegs optimalen Milchviehstandortes in der Heide, wird die Milchviehhaltung weiterhin zum Bauckhof gehören.
 

Die Norddeutschen mögens mild
Die Erkenntnis, dass Menschen verschiedener Regionen sehr unterschiedliche Käsevorlieben haben, hatte Michaela Weber schon als Berufserfahrung während ihrer Zeit im Süden und Norden Deutschlands gemacht. Dass der Norddeutsche mehr milde Gouda-Typen bevorzugt, wurde ihr während der ersten Vermarktungssaison auf dem Bauckhof ziemlich schnell deutlich und floss in die Kreation der Hofsorten ein. Der typische Heidekäse, der speziell in die Landschaft passt, darf nach Vorstellung von Michaela Weber, zwar kräftig, aber nicht zu blumig und würzig schmecken, weil hier in der Heide einfach die entsprechenden Weidekräuter fehlen, wie sie beispielsweise im Allgäu wachsen. An diesem Hartkäse wird noch experimentiert - der Berg- und Talkäse, den die Käserin mit ihrer Helferin Esther Ravens manchmal herstellt, könnte ein Vorläufer des angestrebten Modells sein. Bei drei "Käsetagen" pro Woche werden 250 bis 480 Liter verarbeitet. An den anderen Tagen wird Quark und Frischkäse, sowie Sahne, Creme Fraîche und Sauerrahmbutter produziert.
 

 

Zwei Biografien
Sie kennt jede Ecke des 180 Hektar-Hofes in der Lüneburger Heide. Michaela Weber (34) ist als Tochter von Brigitte und Joachim Bauck, in Amelinghausen aufgewachsen. Nach der Schulzeit erst einmal weg vom elterlichen Hof, mit dem Vorhaben etwas Eigenes aufzubauen. Nach sieben Lehr- und Wanderjahren - Ausbildung in Hohenroth, Triesdorf und Kempten, Auslandsaufenthalt, dem Aufbau einer Hofkäserei an der Ostsee - kam der Ruf nach Hause in die Heide. Die mittlerweile junge Familie Weber entschied sich, "wir versuchen es". Michaela Webers persönliches Ziel war es, eine Hofkäserei aufzubauen. Bis dato wurde die Hälfte der Milch an die Molkerei geliefert, Claudia Schuppert verarbeitete den anderen Teil zu Joghurt, Quark und Butter, hauptsächlich für den Eigenbedarf des Hofes. Eine Käseküche richtete Michaela Weber 1994 ein. Die Mutter von drei Kindern widmet sich neben der Milchverarbeitung, wo ihr Esther Ravens zur Seite steht, vor allem hauswirtschaftlichen Aufgaben und der Organisation der Schüleraufenthalte auf dem Hof.

Ralf Weber (35) gebürtiger Bayer, aufgewachsen in Baden-Württemberg bei Ravensburg, gelernter Bankkaufmann. Heute verantwortlich für 100 Hektar Acker, Grünland sowie 90 Stück Vieh. Während der Zivildienstzeit in der Landwirtschaft auf zwei Demeter-Betrieben, entdeckte er seine Liebe zur Landwirtschaft und sein Interesse an der Anthroposophie. Für die anschließende Lehre wählte er bewusst zwei unterschiedliche Betriebsformen: erst einen Gemeinschaftsbetrieb, dann einen Familienbetrieb. Sein besonderes Verhältnis zu den Milchkühen wurde ihm während der Lehrzeit deutlich: "Ich habe immer gemolken. Die Kuh war mein Rückzugspunkt." Sein Ansatz in der Milchviehhaltung korrespondiert mit den Wünschen und hohen Ansprüchen der Verarbeitung, weil er die hofeigene Veredlung und direkte Vermarktung als langfristige Überlebenschance für die Landwirtschaft begreift. Daraus, dass die Kundenzahl ansteigt, schließt er, dass der Zuwachs der Verbraucher, die Wert auf individuelle Produkte und persönliche Atmosphäre beim Einkauf legen, noch nicht abgeschlossen ist.
 

 

Was wir heute sind, hat sich langsam entwickelt
"Unser Ziel ist ein Modellhof", sagt Joachim Bauck. Ein Außenstehender würde urteilen, "das ist der Bauckhof schon." Die Jury jedenfalls, die den Bauckhof aus 110 Öko-Betrieben, die am bundesweit ausgeschriebenen Wettbewerb für den BMVEL-Förderpreis teilgenommen hatten, für den zweiten Preis ausgewählte, war vom vielfältig und umfassend ökologisch geführten Betriebskonzept überzeugt. Der Name Bauckhof steht für vieles. Die Höfegemeinschaft bewirtschaftet insgesamt 366 Hektar Land auf den Betrieben Amelinghausen (seit 1959), Klein Süstedt (seit 1932) und Stütensen (seit 1966) im Dreieck Lüneburg, Soltau, Dannenberg. 140 Menschen leben und arbeiten auf den Bauckhöfen in Landwirtschaft, Gartenbau, Mühle, Käserei, Bäckerei sowie Töpferei und Sozialtherapie. Aus der hofeigenen Veredlung stammen neben der Frischware über 100 Trockenprodukte, die in den drei Hofläden, über den Naturkostgroßhandel und über den Internetshop vermarktet werden. Ein interessantes landschaftspflegerisches Konzept ist das Wald- und Heckenprojekt. Bislang wurden 11.500 laufende Meter Hecken mit 24 verschiedenen Baum- und Straucharten gepflanzt. Seit 1963 wird auf 25 Hektar Wald gepflegt und mit den verschiedensten Gehölzarten aufgeforstet. Die Holzabfälle speisen eine Holzhackschnitzel-Heizanlage mit angeschlossenem Blockheizkraftwerk. In Klein Süstedt erzeugt ein Windrad jährlich ca. 100.000 kW Strom. Im Bereich der sozialen Aktivitäten sind die sozialtherapeutische Einrichtung für 26 behinderte Menschen in Stütensen zu nennen, die Landbaupraktika für Schüler (ca. 10 Klassen pro Jahr), die Treffen der freien Ausbildung in Amelinghausen und dort nicht zuletzt die 40-Betten-Pension für Urlaubsgäste. Um die beeindruckende Vielfalt abzurunden, muss noch die Forschung genannt werden. Ulrike und Raimund Remer sind mit Feldversuchen und Laboruntersuchungen betraut. Frau Dr. Remer liegt besonders die Tiergesundheit am Herzen. Auch hat sie die kleinen, robusten, ehemals aus Irland stammenden Dexterkühe auf den Hof geholt, die besonders genügsam sind und eine spezielle Milchqualität haben sollen, die von Allergikern besser vertragen wird. Im Februar feiert der Bauckhof sein 70-jähriges Betriebsjubiläum als Demeterhof.