Lebendige Erde 3/2002:

Berichte & Initiativen

Die wahre Grüne Revolution
Greenpeace-Studie zeigt: Ökologischer Landbau kann die Welt ernähren

Gerhard Hirn

Die erste Grüne Revolution war angetreten mit dem Anspruch, durch chemische Pflanzenschutz- und Düngemittel sowie Hybridsaatgut den Hunger zu besiegen. Viel Agrochemie wurde verkauft und weltweit ausgebracht, doch Ernährungssicherheit wurde nicht erreicht. Noch immer arbeiten die meisten der 800 Mio. hungernden Menschen in der Landwirtschaft, für sie war die Grüne Revolution nicht die Lösung. Neue Abhängigkeiten entstanden, nach anfänglichen Steigerungen brachen die Erträge wieder ein, der Preis waren Umwelt- und Gesundheitsschäden. Jetzt zündet die Agroindustrie mit der Grünen Gentechnik die nächste Stufe ihrer Fortschrittsrakete. Die Versprechungen sind die selben wie damals, ergänzt um weitere Wohltaten. Gentechnikpflanzen gibt es nur im Paket mit den passenden Agrochemikalien des Konzerns, das Patentrecht reicht bis auf den Acker, Saatgutnachbau ist verboten oder sogar unmöglich. Der Preis für die Bauern ist die völlige Abhängigkeit vom Patentinhaber.

Dass biologische Landwirtschaft ökologische Vorteile hat, Ressourcen schont und zum Artenschutz beiträgt, ist inzwischen anerkannte Tatsache. Doch bei der Frage, ob der Öko-Anbau auch die Weltbevölkerung ernähren kann, haben viele Experten noch immer große Zweifel: "Die Flächenerträge sind deutlich niedriger!", "Der Arbeitsaufwand ist viel zu hoch!" "Es fehlt das nötige know-how!", so lauten gängige Schnellschüsse.

Unter dem Titel "The Real Green Revolution - Organic and agroecological farming in the South" haben zwei Wissenschaftler der Universität Cardiff für Greenpeace eine Studie erstellt. Nicholas Parrot und Terry Marsden haben umfangreiche Belege dafür zusammengetragen, dass Ökologische Landwirtschaft bei der Bekämpfung des Welthungers eine tragende Rolle spielt. In zahlreichen Beispielen zeigt die Studie, wie erfolgreich die Ökologische Landwirtschaft in Entwicklungsländern ist. Es geht Greenpeace darum, eine Landwirtschaft zu fördern, die lokale, soziale und kulturelle Strukturen der Region sowie das traditionelle Wissen der Bauern berücksichtigt. Das Welthungerproblem lasse sich nicht mit Genpflanzen bekämpfen, es sei sehr wichtig, dem Trend entgegenzuwirken, dass weltweit operierende Konzerne den Agrarmarkt beherrschen. Am Beispiel von Argentinien wird das Kernproblem einer modernen Landwirtschaft illustriert: Obwohl die Ernte für den Bedarf von China und Indien ausgereicht hätte, hungerten die Menschen in Argentinien während der Krise Ende 2001. Zwischen der Lebensmittelmenge, die ein Land erzeugt und der Zahl hungernder Menschen dort gibt es keine direkte Beziehung.

 

Die Zukunft ist ökologisch
Die wirkliche Grüne Revolution, die ihren Namen zurecht trägt, ist eine weltweite Bewegung hin zu einer ökologischen Landwirtschaft, die eine wachsende Weltbevölkerung ernährt und dies nachhaltig tut - ohne die Bedürfnisse künftiger Generationen zu gefährden. Als eine der positiven Entwicklungen betont die Studie, dass Internationale Organisationen, besonders die Welternährungsorganisation der UN (FAO) und das UN- Zentrum für Handel und Entwicklung (UNCTAD) aufmerksam geworden sind auf das Potential der organischen Landwirtschaft, bäuerliche Einkommen zu steigern, Arbeitsplätze zu schaffen und die Ernährungssicherheit zu verbessern. Für die Förderung und Ausweitung ökologischer und agroecologischer Landwirtschaft fordert die Studie die Regierungen im Süden auf, ihre Förderung von chemischen Pflanzenschutz- und Düngemitteln zu überdenken und Hindernisse für das Wachstum des ökologischen Bereichs abzubauen. Noch besser wäre die Förderung einer ökologischen und nachhaltigen Landwirtschaft.

In zehn Fallstudien werden Projekte aus den unterschiedlichen Regionen und Klimaten vorgestellt, von Gartenbau am Kilimandscharo über Teeanbau in Darjeeling, Bananenerzeugung bis zu ökologischer Landverbesserung (Wiederherstellung der Bodenfruchtbarkeit) in Äthiopien. Anhand vieler Beispiele wird gezeigt werden, dass die Erträge mit organischen Bewirtschaftung höher liegen als bei konventioneller. Ertragssteigerungen um 20 - 250% wurden bei Mais in Brasilien erreicht. Durch Bodenkonservierung und Gründüngung wurden in Honduras und Guatemala ähnliche Ertragssteigerungen bei Mais erreicht. Mit Reihenkultur konnte in Kenia die Schädlingszahl im Verhältnis zu Monokultur verringert und der Ertrag gesteigert werden, obwohl die Pflanzdichte um 25% niedriger lag.

In vielen Regionen des Südens ist die Vielfalt der Kulturpflanzenarten in ökologischen Anbausystemen weit größer als in einseitigen konventionellen Systemen. Beispielsweise bauen einheimische Bauern in Peru über 3000 verschiedene Kartoffelsorten an. Im Gegensatz dazu hat die weltweite industrialisierte Landwirtschaft dazu geführt, dass die Weltbevölkerung 90% ihrer Nahrungsenergie von nur 15 Pflanzenarten erhält.

Die Autoren werben für den interdisziplinären internationalen Austausch von Wissen und Erfahrung sowie eine Verknüpfungen zwischen den verschiedenen Arbeitsgebieten und Experten. Die Aufgaben und Herausforderungen reichen von weltweiter Interessenvertretung und Forschung bis zu dem Aufbau einer wirkungsvollen Infrastruktur vor Ort für Ausbildung, Vermarktung, Aufbau von Zertifizierungssystemen.

 

Greenpeace Environmental Trust (Hrsg.), 2002: The Real Green revolution - Organic and agroecological farming in the South
Autoren: Nicholas Parrot & Terry Marsden
Im Internet unter www.greenpeace.de oder www.soel.de herunterladbar