Ernährung

Landwirt und Koch – natürliche Partnerschaft?

Direktvermarktung an die gehobene Gastronomie und qualitätsorientierte Gemeinschaftsverpfleger

Von Sebastian Fuchs

 

Gastronomie und Landwirtschaft sind eigentlich ein ideales Paar. Besser gesagt, sie waren es einmal. Davon zeugen noch Relikte in ländlichen Regionen, wo das Gast- oder Wirtshaus, idealerweise mit hauseigener Schlachtung, den Ortskern dominiert und sich direkt am Ortsrand die Lieferanten für Fleisch, Obst, Gemüse und Eier befinden. Ein Wirtschaftskreislauf der kurzen Wege, der knappen Lagerhaltung und der gerecht verteilten, weil überschaubaren Wertschöpfung.

 

Die heutige Realität in der Gastronomie wie auch in der Landwirtschaft ist eine ganz andere: Sie sind zwar immer noch ein Paar, aber eines, das mehr durch gemeinsame Probleme zusammengeschweißt wird als durch gemeinsame Interessen. Beide unterliegen dem gleichen Konzentrations- und Spezialisierungsprozess, vorangetrieben durch das dominant preisorientierte Einkaufsverhalten der Verbraucher. Den Rückgang der durchschnittlichen Haushaltsausgaben für Lebensmittel von 33 auf 12 % in den letzten vierzig Jahren und den damit einhergehenden allgemeinen Verlust der Wertschätzung für Nahrungsmittel bekommen beide gleichermaßen zu spüren.

 

Ganz so überschaubar wie angedeutet war der Kreislauf der Wertschöpfung aber nicht: Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es den Lebensmittelgroß- und Einzelhandel. Nach 100 Jahren der Konsolidierung und Konzentration werden hier 98 % des Gesamtumsatzes von den Top 30 des deutschen Lebensmittelhandels erwirtschaftet, allein die Top 5 hatten 2007 einen Anteil von über 70 %. Begleitet wird dieser Konzentrationsprozess von einem intensiven Preiswettbewerb und einer Zentralisierung des Einkaufs. So kommt es, dass unser Gastronom vielleicht immer noch das Fleisch seines Nachbarn an seine Gäste verkauft, allerdings hat es dann schon mehrere hundert Kilometer in verschiedenen Transportmitteln zurückgelegt und fast ebenso viele Verarbeitungsschritte und Zwischenlager durchlaufen. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass die Ware für die Lammwoche an Ostern und die Wildwochen im Herbst aus Neuseeland kommt, auf der traditionell saisonalen Karte mit nicht ganz so regionaler Beschaffung.

Ernährung: industriell vs. nachhaltig und regional

Doch ähnlich wie die Umstellung auf Bio-Anbau für einige wenige Landwirte zumindest den Teilausstieg aus der beschriebenen monetären Zwickmühle bedeutet, zeichnet sich auch für ein kleines Grüpp­chen der Gastronomen Linderung ab. Der Markt für den Außer-Haus-Verzehr von Lebensmitteln wächst stark und löst mehr und mehr den häuslichen Konsum ab. Bei steigender Tendenz liegt der Anteil am Umsatz der gesamten deutschen Ernährungswirtschaft ja nach Quelle zwischen 35 und 44 %. Zwar konzentriert sich auch hier der Mammutanteil der Wertschöpfung durch den rasanten Wandel des Ernährungsstils breiter Bevölkerungsschichten auf die „McDonaldisierung“ der Gesellschaft, jedoch ist im Gegenzug eine Rück­besinnung auf den Einsatz von Qualitätsprodukten, regionalen Spezialitäten und von Atmosphäre und Genuss geprägter Gastlichkeit festzustellen. Stellvertretend für diesen Trend sei die Slow Food Bewegung genannt.

 

So ist Nachhaltigkeit ist in aller Munde, und an der Nachhaltigkeit der biodynamischen Landwirtschaft gibt es keine Zweifel. In der Außer-Haus-Verpflegung gestaltet sich die Zielsetzung schon etwas komplizierter. Neben der Schonung der Ressourcen gilt es, Regionalität, Transparenz und Gesundheit in den Menüplan zu integrieren, die soziale Komponente kann man angesichts der Arbeitszeiten in der Gastronomie getrost ausklammern. Es ist jedoch nicht immer das hehre Ziel des nachhaltigen Wirtschaftens, das Gastronomen dazu bewegt, sich um regionale Lieferanten zu bemühen.

Köche auf der Suche nach Qualität

Fünf Berliner Sterneköche haben sich unlängst unter dem Motto „Koch sucht Bauer“ zusammengeschlossen, um dem Dilemma der unreif geernteten und damit geschmacklich gedrosselten Importware aus dem Großhandel zu entkommen. Auf dem Wunschzettel der Gastronomen stehen alte Apfelsorten, artgerecht aufgezogene Hühner, Rinder, Lämmer und Schweine, frische Kräuter und alte Salatsorten. „ Die Qualität, die es über den Großhandel gibt, wird immer schlechter“ bemängelt Marco Müller aus der Weinbar Rutz, „ich suche einen Familienbetrieb mit ein paar Hühnern, ich suche Gemüse, das noch jung ist, Rote Beete, die nicht groß ist wie Tennisbälle“. Eine ähnliche Zielsetzung verfolgen Initiativen wie „BioLokal“ Im Teutoburger Wald, „feinheimisch“ in Schleswig-Holstein und „ländlichfein“ in Mecklenburg-Vorpommern. Sie alle sind, frustriert von optisch perfekter aber sensorisch langweiliger Importware, auf der Suche nach geschmacklich herausragenden Lebensmitteln bei den Landwirten in ihrer näheren Umgebung gelandet.

 

Denn auch Bio als Prozesseigenschaft führt nicht zwangsläufig zu einem Geschmackserlebnis. Jeder, der schon mal ägyptische Bio-Früh­kartoffeln beim Discounter um die Ecke erstanden hat, kann ein Lied davon singen. Vielmehr geht es den Gastronomen um bestimmte Qualitäten, Sorten und Rassen. Fast zwangsläufig finden sie diese oft bei ökologisch wirtschaftenden Landwirten und kleinen Betrieben, die eher auf Vielfalt statt auf Masse setzen.

Problem: Mengen und Qualitäten

Substanzielle Mindestanforderung an eine nachhaltige Entwicklung auf dem Ernährungssektor ist der Erhalt der kulturellen Funktion der Natur sowie des kulturellen Erbes. Im Bereich der tierischen Lebensmittel ist diese Zielsetzung eng mit dem Erhalt alter und gefährdeter Haustierrassen verknüpft. Das Problem: hoher Fettgehalt, geringer Ausschlachtungsgrad bzw. Schlacht­gewicht, heterogene Produktqualität und unzureichende Kontinuität. Daraus resultiert Unrentabilität für den konventionellen Großhandel, was wiederum zur Gefährdung der Bestände geführt hat. Die Lösung für das Pro­blem ist auch in diesem Fall die gehobene Gastronomie. Diese Be­triebe sind gezwungen, sich über Alleinstellungsmerkmale und Leistungsangebote zu profilieren, hier spielt Exklusivität und Geschmack die übergeordnete Rolle, der Preis ist Nebensache. Exemplarisch sei an dieser Stelle das Schwäbisch-Hällische Landschwein genannt, das es bis in die hohen Hallen der deutschen Top-Gastronomie wie Traube Tonbach oder Villa Hammerschmiede geschafft hat. Laut einer Studie zum Beschaffungsverhalten der gehobenen Gastronomie ist der Preis eher nachgeordnet, man sei bereit „für Spitzenprodukte auch Spitzenpreise zu bezahlen“.

Darauf sollten sie sich als Landwirt einstellen:

  • Die Belieferung der gehobenen Gastronomie erfordert Flexibilität bezüglich Zeitpunkt und Umfang der Einzellieferungen.

  • Bei der Belieferung von Gemeinschaftsverpflegern geht kontinuierliche Verfügbarkeit vor Sortimentsbreite.

  • Sorten und Qualitäten sind entscheidend für Profilierung in der Gastronomie.

  • Verarbeitungsschritte wie Schälen von der Gastronomie zum Erzeuger zu verlagern, erhöht den Anteil an der Wertschöpfung und ist bei vielen Gemeinschaftsverpflegern gefragt.

  • Kommunikation und Verständnis für die unterschiedlichen Arbeitsabläufe bei Gastronomie und Erzeugern ist der Angelpunkt für lang anhaltende und zufrieden stellende Lieferantenbeziehungen.

  • Gastronomie bedeutet Dienstleistung – Lieferung an die Gastronomie ebenfalls.

  • Geeignete Produkte: Feld- und Feingemüse, Kartoffeln, Fleisch, Käse und Molkereiprodukte

  • Gute Produkte erzielen gute Preise: das Umgehen der Handelsstufe erhöht im Idealfall die Wertschöpfung auf beiden Seiten.

Partner müssen sich gut abstimmen

Ganz so einfach wie sich die Belebung der alten Partnerschaft anhört, ist sie natürlich nicht; wie in so mancher Ehe scheitert man schnell an den alltäglichen Realitäten. Das Beschaffungsverhalten der gehobenen Gastronomie zeigt an verschiedenen Stellen Kompatibilitätsprobleme mit den Tagesabläufen und Eigenheiten des real existierenden landwirtschaftlichen Betriebs. Hubert Neidhart vom Gasthof „Grüner Baum“ in Radolfzell am Bodensee, ein Veteran und Best-Practice-Beispiel zum Thema regionale Beschaffung, formuliert das: „Ich würde es nicht machen, wenn ich damit keinen Erfolg hätte, also aus Ideologie zur Rettung der kleinen Bauernschaft, mache ich es ... na ja auch, aber zusammen mit wehenden Fahnen möchten ich mit den Bauern auch nicht untergehen, die müssen sich schon auch an uns anpassen und das so und so bringen“.

 

Dieses Selbstverständnis stößt schnell auf Unverständnis bei den Landwirten: kleine spontane Lieferungen zu ungünstigen Zeiten am Wochenende sind für die Gastronomie aufgrund der Unberechenbarkeit des a la carte Geschäfts nötig, für die Landwirtschaft schwer in den Arbeitsablauf zu integrieren und so manche Lieferung rechnet sich auch wirtschaftlich nicht mehr. Für die Anforderungen der Gastronomie an die Beschaffenheit der Ware – bei Möhrensuppe oder geriebener Rohkost zählt der Geschmack, nicht die Form, bei gedünstetem Möhrengemüse als Beilage aber neben dem Geschmack die Kalibrierung – fehlt in der Landwirtschaft oft das Verständnis.

 

Um für beide Seiten zufrieden stellende Geschäftbeziehungen aufzubauen ist es zentral, die Kommunikation von Beginn an so intensiv wie möglich zu gestalten, um die Probleme, die bei näherer Betrachtung oft keine sind, so klein wie möglich zu halten. Eine langfristige Lieferbeziehung kann für beide Seiten die Ideallösung darstellen: gesicherte Abnahme zu guten Preisen auf der einen Seite, Qualität, Transparenz und direkte Einflussnahme auf produzierte Sorten und Rassen auf der anderen Seite.

Nicht einfach zu handhaben: Fleisch

Gerhard Bonfig, Betriebskantinenleiter mit täglich 1200 Essen und hundert Prozent Bioanteil im Fleischbereich, kommt ins Schwärmen angesichts seiner fast reklamationsfreien Belieferung durch eine regionale Erzeugergemeinschaft. Seit 1996 besteht die Kooperation und man habe im Laufe der Jahre gemeinsam an der Qualität des Fleisches gearbeitet. Frische, Textur, Farbe Aroma und Verarbeitungseigenschaften hätten einen sehr hohen Standard und sei dieser einmal nicht erfüllt, z. B. durch Umstellung der Fütterung könne man schnell und unkompliziert darauf hinweisen. Reklamationen gibt es kaum, und wenn, dann nie zweimal zum gleichen Sachverhalt.

 

Bei der Belieferung mit Fleisch gibt es die größten Spannungen zwischen Gastronomie und Erzeugern. Die Fixierung auf bestimmte Edelteile und kalibrierte Fleischportionen der Gastronomie stellt die Landwirte vor das Problem, für Verarbeitungsfleisch, Innereien und unbeliebte Partien alternative Vertriebswege zu finden. Hier ist es an der Gastronomie, hinsichtlich der Gestaltung ihrer Speisekarte umzudenken und neue Kreativität zu entwickeln. Die Abnahme ganzer Hälften oder Tiere löst nicht nur das Dilemma vieler Landwirte, sondern kann für Gastronomen auch eine wirtschaftlich interessante Form der Fleischbeschaffung darstellen. August Rettig, gastronomischer Biopionier und Ganztierverwerter aus Überzeugung, sieht „den Einstandspreis zweier Rinderhälften durch die Verwertung von 60 kg Knochen für Brühen und Fonds und 70 kg Rinderhack für eine herbstliche Kohlrouladen-Aktion amortisiert“. Man müsse lediglich die geeigneten Rassen finden und vor allem rechnen und kochen können.

Ganztierverwertung kann sich rechnen

Wenn man die Formulierung der Gerichte auf der Karte etwas allgemeiner hält, eröffnen sich neue Möglichkeiten der Fleischbeschaffung und -verarbeitung: „Kurzgebratenes vom Sommerbock“ kann aus Rücken, Keule, Schulter, falschem Filet oder hohem Stück bestehen, ähnliches gilt für „Geschmortes vom ...“ oder „Ragout vom ...“. Ergänzt wird diese Strategie durch die Vermarktung größerer Teilstücke bei Veranstaltungen mit Büffetbewirtung.

 

Dem Argument, Ganztierverwertung in der Gastronomie sei nichts Neues und hätte sich aufgrund ihrer Unwirtschaftlichkeit hinsichtlich der Personalkosten überholt, hält Bernhard Bonfig entgegen, er halte die Bestrebungen vieler Kollegen, möglichst viele Bereiche auszugliedern, für einen finanziellen Trugschluss. Fremdleistungen durch externe Caterer seien immer mit 19 % Mehrwertssteuer verbunden, nicht jedoch die interne Verarbeitung, die sich im Übrigen in Grenzen halte. Durch Auslagerung würden zwar die Personalkosten halbiert, aber im Gegenzug die Beschaffungskosten verdoppelt, und dabei bleibe die Qualität auf der Strecke. Der Wechsel von der einzig und allein an die Vorstellungen der Küchenleiter angepassten Bestellung hin zu einem beschaffungsdominierten Wareneinkauf erfordere eine strukturierte Planung und vor allem handwerkliche Kompetenz, würde aber einen klaren finanziellen Vorteil mit sich bringen.

Die bio-Nachfrage in der Gastronomie wächst

Die Biogastronomie wird gerne als Nische in der Nische bezeichnet und besitzt in absoluten Zahlen keine wirtschaftliche Relevanz auf dem Markt der Außer-Haus-Verpflegung. In gleichem Maß wie die Stammbelegschaft der überzeugten Biokonsumenten im Lebensmitteleinzelhandel, der so genannten „heavy user“ wächst, wird jedoch auch die Nachfrage nach nachhaltigen Verpflegungsangeboten wachsen. Hier eröffnen sich Chancen zur Profilierung für Gastronomie und Gemeinschaftsverpfleger und für Landwirte die durch besondere Qualitäten und flexible Vermarktung an einer langfristigen Bindung interessiert sind. Wie so oft ist es nur eine Frage der Kommunikation, sowohl zwischen den Handelspartnern als auch oder vor allem, gegenüber dem Gast.

 

Dipl. oec.troph. Sebastian Fuchs ist beim Demeter e.V. verantwortlich für die Bereiche

Fleischvermarktung, Außer-Hausverpflegung und Qualitätsentwicklung.

 

Bei Fragen und Unterstützung zum Thema :

Sebastian Fuchs, Sortimentsmanagement Fleisch und Außer-Haus-Verpflegung, 0 61 55 - 84 69 38, sebastian.fuchs(at)demeter.de

 

Gastronomierichtlinien für eine Demeter-Zertifizierung in der Außer-Haus-Verpflegung unter: http://www.demeter.de