Hintergrund

Biologisch-dynamisch Gärtnern heißt Lebenskräfte einbeziehen

von Iris Mühlberger

 

Gärtnern ist meine Leidenschaft. Seit fast zehn Jahren baue ich auf mehr als zehn Ar im Hohenlohischen biodynamisches Gemüse, Obst und Blumen an. Davor sammelte ich Erfahrungen in einem Bio- und Naturgarten bei Esslingen. Einen großen Teil meines Gartens umrahmen heimische Wildsträucherhecken. Ein Naturteich und Parzellen mit regionalen Wildblumen vervollständigen das kleine Paradies. Hier lebe ich gemeinsam mit zahllosen Vögeln, faszinierenden Insekten, fleißigen Wildbienen, Hummeln und Schmetterlingen. Als ich anfing, mich mit dem Demeter-Anbau zu beschäftigten, wurde mir sofort klar: ein biodynamischer Garten ist mehr als nur ein Biogarten. Das heißt, ich lasse nicht nur Kunstdünger und synthetische Pflanzenschutzmittel weg. Sondern ich gebe Lebendiges dazu, unter anderem die aus Heilpflanzen speziell hergestellten Biodynamischen Präparate. Ich spritze sie mehrmals im Jahr auf den Boden, die Pflanzen und impfe meinen Kompost damit. Schon Rudolf Steiner empfahl, die Verrottungsvorgänge besonders zu pflegen, denn „Düngen heißt, den Boden beleben.“ Das beachte ich, denn mein Gemüse und Obst soll nicht nur den Körper (er)nähren, sondern dazu auch meine Lebenskräfte anregen.

Biodynamisch vom Saatgut an

Die Qualität des Saatguts spielt für mich eine wichtige Rolle. Deshalb ist Bio-Saatgut Pflicht in meinem Garten. Ein weiterer Grund: Die Mutterpflanzen wachsen unter ähnlichen Bedingungen heran, wie bei mir ihre ausgesäten Nachkommen. Ich achte darauf, hauptsächlich samenfeste Sorten anzubauen, die auf natürlichem Weg durch Kreuzung und Auswahl gezüchtet wurden und möglichst aus biodynamischer Züchtung stammen. Die immer häufiger angebotenen, dazu teuren Hybridsorten werden mit Hilfe von Inzuchtlinien gewonnen (siehe Kasten). Das ist eine naturferne Züchtungsmethode, die nicht in meinen biodynamischen Garten passt. Außerdem kann ich von Hybriden kein eigenes Saatgut sammeln, da sie sich wieder in ihre ursprünglichen Sorten aufspalten.

Biodynamische Präparate fördern Humus und Früchte

Ein bis zweimal im Jahr bringe ich auf den Boden das biodynamische Hornmistpräparat aus. Es schafft für die Bodenorganismen optimale Bedingungen. Außerdem fördert es ein gesundes, starkes Wurzelwerk, das auch oberirdisch für kräftige und widerstandsfähige Pflanzen sorgt. In Versuchen wurde festgestellt, dass eine jahrelange Anwendung von Hornmist sogar den Humusaufbau fördert (FiBL)). Die biodynamischen Präparate anzuwenden, erfordert ein wenig Geduld, da sie in Regenwasser eine Stunde lang mit wechselnder Drehrichtung kräftig gerührt, das heißt „dynamisiert“, werden müssen. In diesem Prozess übertragen sich die stofflichen Wirkungen des Präparates auf das Wasser, ähnlich wie in der Homöopathie. Mit einem Handfeger verteile ich den so behandelten Hornmist im Frühjahr nachmittags grobtropfig auf Beete, Wiesen, um Bäume und Sträucher.

 

Im Sommer und Herbst ist das biodynamische Hornkieselpräparat an der Reihe. Es fördert die Blatt-, Blüten- und Fruchtbildung der Pflanzen, macht sie widerstandsfähiger gegen Pilzkrankheiten und beschleunigt ihr Ausreifen. Hornkiesel wird ebenfalls dynamisiert, jedoch am frühen Morgen, bei sonnigem Wetter und danach fein über die Pflanzen gespritzt. Im Herbst fördert das Präparat die Ausreifung von Gemüse und Obst, wenn es nachmittags gespritzt wird. Außer mit den Präparaten stärke ich meine Pflanzen und die Bodenorganismen noch mit Ackerschachtelhalm. Ich spritze ihn im Frühjahr vor der Bestellung auf den Boden, danach regelmäßig auf alle Kulturen.

Was sind F1-Hybride?

Hybride entstehen aus der Kreuzung künstlich erzeugter Inzuchtlinien. Da die meisten Gemüsearten Fremdbefruchter (also mischerbig) sind, müssen sie durch erzwungene Selbstbefruchtung reinerbig gemacht werden. Während des mehrjährigen Inzuchtprozesses degenerieren diese Elternlinien. Kreuzt man zwei reinerbige Elternlinien, entstehen in der nächsten Generation (F1 genannt) Hybride mit einheitlichen Formen, großen Früchten und hohen Erträgen. Sie sind gegenüber samenfesten Sorten oft wässriger und zeigen ein schlechteres Reifevermögen. Ihre Nahrungsqualität ist umstritten.

Vielfalt anstatt Bekämpfung

In meinem Garten denke ich in ganzheitlichen Zusammenhängen und Kreisläufen. Ich überlege nicht vorrangig, „Schädlinge“ zu bekämpfen, sondern mache mir Gedanken über die Ursachen eines eventuell gehäuften Auftretens. Anstatt „Krieg zu führen“, habe ich Lebensräume für verschiedene Nützlinge geschaffen. Zum Beispiel durch verwilderte Ecken, Haufen mit Totholz, alte absterbende Bäume, Wildblumenbeete, Insekten- und Vogelnistkästen. Darin haben sich verschiedenste Wildbienenarten, Meisen, Schwalben, Stare, Feld- und Haussperlinge angesiedelt. Besonders, wenn die Vögel ihre Jungen mit tausenden von Insekten füttern, brauche ich mir keine Gedanken mehr über zu viele „Schädlinge“ im Garten zu machen. Für ein ideales Kleinklima sorgen Hecken mit heimischen Sträuchern und ein großer Naturteich. Ihn umsäumen ausgesäte Uferpflanzen, die von einem regionalen Wildblumensamen-Anbieter stammen.

 

In der Natur ist eine Vielfalt an Arten und Abwechslung ganz im Sinne der Lebensabläufe. Das versuche ich auch in meinem Garten nachzuvollziehen. In den Gemüsebeeten wachsen miteinander verträgliche und sich fördernde Arten in Mischkulturen nebeneinander. Das bekannteste Beispiel sind Möhren und Zwiebeln, die sich bei idealen Bedingungen gegenseitig die Möhren- und Zwiebelfliege abhalten können. Damit durch Monokultur der Boden nicht einseitig ausgelaugt wird, plane ich einen Fruchtwechsel ein. Das heißt, es wachsen jedes Jahr andere Pflanzenarten mit unterschiedlichen Düngeransprüchen auf den Beeten.

Der Demeter-Lehrgarten

Der einzige deutsche Demeter Lehr- und Schaugarten liegt in Binzen bei Weil am Rhein in der Demeter-Gärtnerei Berg. Eine kleine Oase, in der die wichtigsten Bestandteile eines biodynamischen Gartens gezeigt werden, unter anderem eine Beet in Form des Tierkreises mit Beispielen von Mondkonstellationen und ihren Wirkungen. Auch Fruchtfolgen, Mischkulturen und Gründüngungsbeete gibt es zu entdecken, ebenso Gemüseraritäten. Betreut wird der Schaugarten von der Regionalgruppe Dreiland des Vereins zur Förderung der Biologisch-Dynamischen Wirtschaftsweise. Demonstrationstage und Veranstaltungen im Internet unter http://www.gartenrundbrief.de/lehrgarten.php.

Beschleunigte Verrottung und Hilfe vom Mond

Der Kompost soll im Boden wie ein Katalysator die Arbeit der Mikroorganismen ankurbeln. Damit er dies besonders gut macht, impfe ich ihn mehrmals mit den entsprechenden biodynamischen Präparaten. Ein weiterer Vorteil: die Verrottung wird beschleunigt. Die Präparate bestehen aus Schafgarbe, Kamille, Brennessel, Eichenrinde, Löwenzahn und Baldrian. In einem Boden, der mit biodynamischem Kompost angereichert ist, bilden sich kräftige Pflanzenwurzeln aus, die tief in die Erde eindringen. Außerdem reagieren die Pflanzen damit besonders empfindsam auf feinstoffliche Angebote aus der Umgebung.

 

Die Biodynamischen Präparate stellen die Demeter-Landwirte selbst her. Auch manche Hausgärtner helfen dabei und bekommen so ihre eigenen Präparate. Ich erhalte sie als Mitglied einer Demeter-Gartengruppe in Baden-Württemberg einmal im Jahr zugesandt. Die Internationale Präparatezentrale verschickt sie ebenfalls, mit weiterführenden Infos (Adressen). Es gibt in Deutschland in fast allen Bundesländern Ansprechpartner für Hausgärtner und Gartengruppen. Sie sind im Internet aufgelistet unter www.gartenrundbrief.de/gartengruppen_adressen.php.

 

Beim Aussäen, Pflanzen und Ernten beziehe ich, wenn möglich, Mondkonstellationen mit ein. Das Wissen über einen Zusammenhang zwischen Pflanzenwachstum und Mondlauf ist nahezu so alt wie die Menschheit. Auch Rudolf Steiner wies unter anderem auf die Vollmondkräfte und auf die vermittelnde Rolle des Wassers im Boden hin. Jahrzehntelange Erfahrungen von Maria Thun ergaben, dass Aussaat und Pflanzung an bestimmten Mond- und Planetenkonstellationen Wachstum und Ertrag der Kulturen fördern können. Auch Pflegemaßnahmen wie das Hacken oder Ausbringen der Präparate kann an entsprechenden Tagen zu besseren Ergebnissen führen. Maria Thun gibt jedes Jahr einen Aussaatkalender mit Erfahrungsberichten heraus.

Ackerschachtelhalmtee

Das Kraut am besten um Johanni (24. Juni) sammeln und trocknen. 60 Gramm davon in zwei Liter Wasser eine Stunde lang kochen. Den Sud einen Tag stehen lassen, dann abseihen und im Verhältnis 1:5 bis 1:10 mit Wasser verdünnt ausbringen.

 

Brennnessel-Wildkräuter-Jauche

Eine Plastiktonne bis zum Rand mit kleingeschnittenen frischen Brennnesseln, Beinwellblättern und verschiedenen Wildkräutern (keine Wurzelunkräuter) füllen. Zwei Wochen in die volle Sonne stellen, bis es nicht mehr schäumt. Eventuell gegen den Geruch ab und zu Steinmehl dazugeben. Danach die Jauche 1:10 mit Regenwasser verdünnt an den Wurzelbereich der Pflanzen bei bedecktem Himmel gießen.

Das A und O: die Bodenpflege

Für mich spielt das Wechselspiel zwischen Boden und Pflanze eine zentrale Rolle im Garten. Gründüngungspflanzen können den Gehalt an organischer Substanz verbessern und das Bodenleben anregen. Ich säe sie, falls es die Witterung erlaubt, entweder einige Wochen vor der Bestellung der Beete oder nach den ersten abgeernteten Kulturen. Ein weiteres Plus: Gründüngungspflanzen lockern den Boden und reichern ihn mit Nährstoffen an. Wie viele Nährstoffe mein Boden überhaupt enthält und den Pflanzen zur Verfügung stellen kann, lasse ich alle paar Jahre anhand einer Bodenprobe untersuchen. Sie schicke ich an ein für den Bioanbau spezialisiertes Labor (Agrofor). Es gibt mir Tipps, mit welchen organischen Nährstoffen ich in Zukunft düngen und welche ich besser weglassen sollte, da sie schon ausreichend im Boden vorhanden sind. Dadurch weiß ich zum Beispiel, dass mein Boden weder Phosphor noch Kali benötigt, sondern für stark zehrende Pflanzen wie Tomaten, Zuckermais, Gurken, Kürbis und Kohl nur noch eine extra Gabe Stickstoff. Ihn führe ich mit Hornmehl zu. In der Hauptwachstumszeit gieße ich dazu etwa vierzehntägig mit einer selbst angesetzten Brennnessel-Wildkräuterjauche (Rezept unten). Weiter kommt für einen gesunden und lebendigen Boden im Frühjahr auf alle Beete Steinmehl. Es führt wichtige Mineralstoffe und Spurenelemente zu und fördert eine gute Bodenstruktur.

 

Obwohl ich alles bisher Geschriebene anwende und lebe, ist mein Garten genauso Klimaextremen und Umweltverschmutzungen ausgesetzt wie andere. Auch bei mir gibt es immer wieder so manchen „Schädling“, der in zu großer Menge auftritt oder Pflanzenkrankheiten, die zu früh die Ernte zerstören. Doch das sehe ich eher gelassen und freue mich viel mehr über immer mehr neue, auch seltene Tierarten, die beim Schutz meiner Kulturpflanzen mithelfen. Außerdem haben mir bisher Schnecken, Raupen und Blattläuse immer noch genügend Gemüse und Obst zum Essen und Einmachen übrig gelassen.

 

Wer biodynamisch gärtnern möchte, kann natürlich auch nur einige der oben genannten Bausteine in seinem Garten verwirklichen. Die Anwendung der Biodynamischen Präparate sollte jedoch Pflicht sein. Wie es genau geht, können Interessierte in einem der regelmäßig angebotenen Einführungskurse zur Biologisch-Dynamischen Wirtschaftsweise erfahren.

 

Iris Mühlberger ist Demeter-Hobbygärtnerin und Redakteurin des Demeter Gartenrundbriefs. http://www.gartenrundbrief.de

Literaturtipps

  • Anleitung zur Anwendung der biologisch-dynamischen Präparate, Christian von Wistinghausen, Verlag Lebendige Erde 2005, 10,50 €

  • Kompost im Garten, Krafft von Heynitz, Ulmer Verlag Stuttgart 2000, 9,90 €

  • Gärtnern nach dem Mond mit Maria Thun, Kosmos Verlag Stuttgart 2009, 14,95 €

  • Der Mondgärtner. Biodynamisch Gärtnern. Kosmos Verlag Stuttgart 2011, 14,95 €

Adressen

Quelle:

FiBL DOSSIER 2000; Bio fördert Bodenfruchtbarkeit und Artenvielfalt,

Erkenntnisse aus 21 Jahren DOK-Versuch, Nr. 1, 16 S., verändert